Die Trompe-Musik von der Mitte des 19. Jhdts. bis heute

Es versteht sich, dass wir über das Instrument in der Stimmung „D“ sprechen, dessen Verwendung historisch gesehen in Frankreich, Belgien, in geringem Umfang auch in der Schweiz Deutschland ‚Österreich, Luxemburg und den Niederlanden gebräuchlich ist.

Mitte des 19. Jh. haben die Trompe-Musiker bezüglich ihres Repertoires und der Spieltechnik eine bedeutende Veränderung bewirkt. Die neu geschaffenen Fanfaren wie la Caléche des Dames (um 1835), la Marche de Vénerie (Thiberge 1848), le Nouveau Départ (urn 1860), les Adieux des Maitres (Delors 1860), les Honneurs (Tellier, 1842) sowie verschiedene Tier-Fanfaren, haben offenkundig dazu beigetragen, die Parforcejagd-Musikszene zu bereichern. Sie haben die zuvor beschränkte Liste der Tier- und Situationsfanfaren vervollständigt. Diese werden heute noch geblasen.

In dieser Periode kam es auch zu einer enormen Vermehrung von Fanfaren für Maitres (Master) und Veneure (Parforcejäger) sowie Fanfaren, die bestimmten Personen gewidmeten waren. Der Musikwissenschaftler und Sonneur (Trompe-de-Chasse-Bläser) Jaques Poncet schreibt: Vers 1850, une bonne vingtaine de sonnefies serilement servent durant lhction de la chasse. Toutesfanfares confondues, leur nombre serait de l’ordre de 300 au milieu du 1 9° siécle pour passer ci 3000 a‘ lafin du méme siécle.’ (um 1850 gab es lediglich etwa 20 Fanfaren, die dem Jagdverlauf dienten. Nun entstand eine verwirrende Anzahl von Fanfaren; waren es um die Mitte des 19. Jh. Noch 300, so zählte man an dessen Ende schon 3000.)

Die erste Hubertus-Messe wurde von den Musikern im Duo aufgeführt (Estival 1848). Es folgten die von Tellier, Obry, Cantin, Sombrun und Gruyer, um die wesentlichsten zu nennen . Der Radouci, eine langsame, ausdrucksvolle und leise Spieltechnik, gewann zunehmend Raum. Vermehrt kamen auch der Bass und gestopfte Töne in Gebrauch. Wohl bemerkt: Nicht bei der Jagd! Hier durfte ausschließlich Solo und in fortissimo geblasen werden.

Die ersten Trompe-Lehrer tauchten in der 2. Hälfte des 19. Jh. auf. Oft waren es Professoren für Horn in den Konservatorien. Zugleich entstanden auch methodische Trompe-Schulen mit Darstellung der Noten und Tonleiter, wie sie der Besonderheit des Instrumentes entsprachen, sowie eine Aufzählung der bei der Jagd gebräuchlichen Ausdrücke usw. Zu nennen sind hier die Schulen von Raoulx (1841), de Gromard (1843), Willemann und Thiberge (um1848), Frontier (1870), Sombrun (1888) usw.

Es muss aber auch erwähnt werden, dass es schon früher Trompe-Schulen gab:
J.F. Vergnaud, Antoine Rousset, Eugenio Roy im 19. Jh., Othon van den Broeck im 18. Jh.‚ Bendinelli Cesare im 17. Jh., von Creschentis im 16. Jh.. Die erstaunlichste Trompe-Schule ist die von Girolamo Fantini da Spoleti, erschienen 1638 unter dem Titel Méthode pour apprendre de la trompe tant à la guerre que musicalement avec l'orgue, la trompe radouci, clavecin et autres instruments (Methode zum Erlernen der Trompe sowohl für den Gebrauch im Kriege als auch musikalisch mit der Orgel, und Radouci auch mit Cembalo und anderen Instrumenten).

Die Natur des Menschen hat das Bedürfnis, sich mit anderen zu messen. Aus diesem Bestreben sind zunächst regionale Wettbewerbe entstanden und später, seit 1880, auf Initiative der Société Canine von Paris (kynologische Gesellschaft, die sich der Zucht von Meutehunden widmete) auch nationale Wettbewerbe. Une Soirée à Cour Ballée (Ein Abend am Cour Ballée), komponiert vom Hauptmann der Militärmusik G. Carbonnier zu Ende des 19. Jh. ist ein hervorragendes Beispiel für Werke dieser Epoche. Der Wettkampf­gedanke war sehr stark ausgeprägt, besonders bei großen Ensembles, die unter Leitung eines Dirigenten mit Taktstock große Fantasien aufführten.

Die Aufstellung in V-Form kam erst viel später auf. Die exakte Zahl der bestehenden Gruppen wurde nie festgehalten. Bis in die letzten Winkel des Landes hatten sich Gruppen formiert, selbst in Regionen, wo die Parforcejagd nicht gebräuchlich war.

An dieser Stelle sei auch auf die bevorzugte Verwendung der Trompe in aristokratischen Kreisen verwiesen, und auch darauf, dass viele Regimenter eigene Trompe-Gruppen hatten.

Das Zeitalter der Romantik hat uns zahlreiche Trinklieder und frivole Lieder hinterlassen, die unter dem Deckmantel der Jagd-Arien firmierten. Sehr bekannt ist 80 chasseurs de la Marquise (Die 80 Jäger der Marquise), um eines zu nennen.

Mit zunehmender Verbreitung wurde diese Musik auch immer populärer. Ottorino Respighi (1879-1936) bediente sich ihrer in einer Symphonischen Dichtung. Charles Koechlin (1867-1950) komponierte mehrere dutzend Trias und Quartette für die Trompe. Johannes Brahms (1833-1897) erfreute damals eine österreichische Parforcehorn-Gruppe (Lainzer Jagdmusik) mit seiner Präsenz als Bläser. Der belgische Komponist Jaques Nicolas Lemmens (1823-1881) schuf ein großes Orgelwerk mit dem Titel Fanfare. Sie alle haben den Charakter des Naturhorns ebenso geschätzt und respektiert wie ihre Vorgänger Georg Philipp Telemann, Jean Joseph Mouret, Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn, Leopold Mozart, Gioacchino Rossini und auch Karl Maria von Weber u.v.m.

Anfang des 20. Jh. begeisterten sich immer mehr Bläser der volkstümlichen Musik für die Trompe. Immer noch begegnen uns Polkas, Mazurkas, Walzer und Märsche. Die zahlreichen Jagdfeste jeder Art, sei es Parforce- oder der Schießjagd oder Bälle auf dem Lande werden von Horn-Quartetten (z. B: das berühmte Horn Quartett der Gebrüder Rochard) oder großen Ensembles belebt.

Auf dem Gebiet der Parforcejagd beobachten wir eine allmähliche Uniformierung des Ton de Vénerie (starke Betonung des Tayaut und des Vibratos) Dennoch lassen sehr wohl einige Musiker dabei die Qualität einer wohlklingenden Trompe und deren unvergleichlichen Reichtum an Klangfarben, wie sie unter Musikern auch von allen Holz- und Blech-Bläsern angestrebt wird, nicht vermissen.

Unglücklicherweise sind diese allmählichen Veränderungen mit historisch bedeutsamen Folgen verbunden:

  • In der Barockzeit wurde noch sehr zurückhaltend ein Pralltriller mit den Lippen gespielt. Erst im Laufe des 20. Jh. fand das heutige Tayaut, das mit der Zunge gespielt werden muss (sifflé= pfeifend), Anwendung. Dies wird leider eingestetzt, wo immer es möglich erscheint.
  • Das Verschwinden des Tons der Normandie, des Tons von Poitou, des Tons der Gascogne und andere. Das ist ein bedauerlicher negativer Aspekt der Wettbewerbe.
  • Die Vereinfachung der zweiten Stimme. Gegenwärtig verläuft sie ausschließlich parallel unter der Linie des cantus firmus.
  • Das verlorene Wissen um die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten der historischen Trompe, insbesondere der klassischen Trompe des 18.1h. und der romantischen Trompe des 19. Jh.
  • Die Verkürzung mancher Fanfaren, um diese auf drei Phrasen zu beschränken. (z.B.: le Lancè, le Débuché, le Loup, le Renard, le Chevreuil....).
  • Die kreative Armut der Fanfaren ohne deren potentielle Ausdrucksmöglichkeiten bezüglich Struktur und Umfang, verleihen diesen, aus Sicht eines unbefangenen Zuhörers, den Charakter ständiger „Wiederholung“.

Die Herren Tyndare Gruyere, später Anthelme Devert, sowie andere couragierte Musiker kreierten die „Trompe enchantée“ begleitet von der Orgel, dem Piano, solistischem Gesang oder einem gemischten Chor. Seit den 30-iger Jahren des 20. h. stellen sich die Formationen mit Dirigent und Taktstock zunehmend in V-Form ohne Dirigent auf, die bis heute von allen übernommen wurde. Übrigens gibt es hierfür keine wirkliche akustische Rechtfertigung.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Ton de Vénerie der ausschließliche Weg. Die Gebrüder Pigeat und danach auch die Belgische Schule fordern einen ausschließlich sehr starken Ton.

Im Gegensatz schrieb Sombrun schon 1888: C’est incontestablement Mr Pettex Mufiat, successeur de Franpois Périnet, 31 rue Caperm'c ä Paris, qui est le meilleurfacteur oufabricant de trompes de chasse: il sufit de lm' indiquer laforce physique d’un éléve pour qu’ilfourm'sse l’instrument qui convient d son tempérament. Nous devons méme une mention particuliére a‘ ses excellentes trompes en mi b avec ton de Ré, qui permettent de jouer avec orchestre. Ces trompes a‘ deuxfins sont recommandables par leur justesse dans chaque ton et peuvent étre avantageusement employe'es dans les musiques militaires ou les nombreuses sociétés civiles _c_ie_sonneurs qui jouent avec des fanfares ou des harmonies. (unbestreitbar ist Herr Pettex Muffat‚ Nachfolger von Francois Périnet, Paris, Copernic-Strasse 31, der beste Hersteller oder Fabrikant von Trompes de Chasse:
Es genügt ihm die physische Stärke eines Schülers zu beschreiben und er wird das zu seinen Fähigkeiten (Temperament, Persönlichkeit) passende Instrument bauen. Besonders müssen wir seine ausgezeichneten Hörner in Es mit einem Wechselbogen in D erwähnen, mit welchen das Zusammenspiel mit einem Orchester ermöglicht wird. Diese Hörner mit zwei Stimmungen sind wegen der Reinheit beider Tonarten empfehlenswert und können vorteilhaft bei der Militärmusik oder auch bei den zahlreichen zivilen Gruppierungen, die sowohl Fanfaren als auch Musikstücke spielen, eingesetzt werden).

So waren wir zu dieser Zeit weit entfernt von der Praxis des ausschließlich sehr starken Tons.

Zweifelsohne war die sehr schnelle Einführung der V-Form eine Konsequenz der Evolution der Gesellschaft‚ der des Brauchtums und der Art und Weise zu kommunizieren. Eine weitere Folge zeigte sich in einem außergewöhnlichen Phänomen: Das Auftreten in der eleganten Kleidung des Parforce-Jägers. Mit Stiefeln, Reitkappe, Reitrock, Trompe und Nachahmung wird man zum Herrn.

Um1865 gelangte mit der Wiederbelebung historischer Instrumente die Barockmusik zu neuer Blüte. Das Orchester Jean Francois Paillard und die Rallye Louvart von Paris schlugen die schönsten Seiten der Musikgeschichte auf, indem sie die alten Musikstücke von Lully, Corette, Morin, Mouret, Delalande, Teleman, usw. bevorzugt zur Aufführung brachten. Marie Claire Alain und die Rallye Louvart produzierten eine großartige Hubertus-Messe für Trompe und Orgel. Sie wurde komponiert von Estival und später von Cantin, Obry und anderen arrangiert, nachdem der Schutz des geistigen Eigentums abgelaufen war.

Geblieben ist uns heute nur eine fest vorgegebene Stilrichtung. Der Ton de Vénerie ist zur Regel geworden, der Radouci als Aufführungsvariante wird von den Parforce-Jägern kaum zugestanden. Man zählt heute hunderte von Fantasien (Aufführungsdauer zwischen 3 und 6 Minuten), sowie ungefähr 30 Hubertusmessen. Man spricht von mehr als zehntausend Fanfaren‚ die dem Fanfarenmuster entsprechen, d.h. aus sechs Phrasen und etwa einer Minute Aufführungsdauer bestehen, und bestimmten Personen gewidmet sind. In ganz Frankreich und auch in angrenzenden Ländern praktizieren so viele Bläser die Trompe in D, wie es Fanfaren gibt. Die zahlreichen Träger der prächtigen Uniformen sind in etwa 450 Bläsergruppen zu je 6 - 15 aktiven Bläsern vereinigt. Eine zunehmende Präsenz der Trompe findet man auch in Regionen, in welchen die Parforcejagd nicht praktiziert wird. In diesem Zusammenhang muss man die Zunahme der Jagd mit Laufhunden auch außerhalb der Parforcejagd berücksichtigen. Um ein Beispiel zu nennen: In den Jahren 1970-80 hatte Straßburg 8 Bläsergruppen, im gesamten Elsass (dort gab es noch nie die Parforcejagd) sind es heute in einem regionalen Verband 18 Gruppen.

Immer mehr Musiker wagen es heutzutage, die Musik für Trompe und Orchester oder andere Klangkörper (Chor, Klavier etc.) wieder zu beleben. Francis Paul Demillac, 1917 als Kind russischer Emigranten eingewandert, niedergelassen in St. Etienne , hat 7 „Suiten für vier Trompes de Chasse und Orgel“ geschrieben und später für Kammerorchester transkribiert.

Neben zwei Hubertus-Messen habe ich zusammen mit dem international renommierten Komponisten Pierre Thilloy das Requiem á la Licorne (Requiems für ein Einhorn), ein Pferde-Ballett in fünf Bildern, komponiert. Des Weiteren habe ich an der Komposition zweier Konzerte für Trompe und Kammerorchester mitgearbeitet. Eines mit dem Co-Dirigenten des Orchesters de La Musique de l´Air ´á Paris Benjamin Garcia, das andere mit dem Hornisten, Chor-Leiter und Direktor des Konservatoriums Nicolas Avinée. Außerdem habe ich mit mehreren Organisten bei zahlreichen Stücken für Trompe und Orgel mitgewirkt, sowie bei Stücken für Trompe und gemischtem Chor etc. in Frankreich und im Ausland.

In diesem Zusammenhang sei auch Sylvain Oudot erwähnt mit seinen Sonatinen und Concertinos für Trompe und Kammerorchester sowie seinen Stücken für Trompe und Orgel. Zu nennen wären auch noch weitere Komponisten, denen das große Verdienst zukommt, der Trompe den Charakter eines authentischen Musikinstrumentes gegeben zu haben (sie mögen mir verzeihen, dass ich nicht alle zitieren kann).

Ein Beispiel kreativer Dynamik: 1990 wurde auf Anregung von Frau Elisabeth Wilson, Co-Organistin der Kathedrale, das ganze Konservatorium von Mans aktiv. Vier Musik-Professoren komponierten jeweils ein großes Werk für Trompe und Orgel, die alle in der vollbesetzten Kathedrale aufgeführt wurden.

Wir genießen die konzertante Trompe-Musik im Konzert, bei der Aufführung, im Wettbewerb, bei Tonaufnahmen, auf der Rennbahn in Parks, am Sockel eines Denkmals, in Gestüten, Schlössern, Klöstern, Museen, in Kirchen und Kathedralen. Die Stimmung der Parforcejagd erfahren wir durch Jagdsignale und Jagdfanfaren im Wald.

All das macht die außergewöhnliche Vielfalt der Trompe aus: Auf der einen Seite sind die Parforcejäger, Akteure einer mehrere Jahrhunderte alten Tradition, denen das Fortbestehen der Trompe de Chasse im Zusammenhang mit der Jagd geschuldet ist. Auf der anderen Seite sehen wir Musiker, oftmals keine Jäger, die für sehr viele Zuhörer diesem Instrument den authentischen barocken Glanz verleihen.

Hubert Heinrich 09/2013

Übersetzung : Anne Greisl und Ferdinand Rosenberg

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