Das Inventionshorn
Martin Geyer
siehe auch den Beitrag "Stopfen"
(aus Lateinisch für Einfall, Erfindung und Horn)
Das Universal-Lexikon definiert das Inventionshorn (IH) folgendermaßen: ein Waldhorn mit Stimmbögen in der Windungsmitte des Windkanals, wodurch die Entfernung zwischen Mund- und Schallstück gleich bleibt und das Stopfen erleichtert wird. Die Konstruktionsidee stammte von A. J. Hampel und wurde von J. Werner 1753 verwirklicht; das Inventionshorn verschwand mit der Einführung der Ventile.
Soweit in aller Kürze!
Bild: wiki-commons
Vorgänger des Inventionshorns
Leichamschneider, eine aus Osterberg bei Memmingen stammende Familie von Blechblasinstrumentenmachern; die Familie war im 17. und 18. Jahrhundert in Wien ansässig und brachte mit den Brüdern Michael (* 1676, † nach 1746) und Johannes (* 1679, † nach 1725) ihre für den Instrumentenbau bedeutendsten Mitglieder hervor.
Zwar wurden in der Werkstatt der Brüder Leichamschneider eine Vielzahl von Blechblasinstrumenten gebaut – die Werkstatt belieferte auch den österreichischen Hof –, doch ist der Name Leichamschneider vor allem mit der Weiterentwicklung des Waldhornes verbunden. Etwa um 1700 fügte Michael Leichamschneider in die Röhre des Waldhornes einen unmittelbar auf das Mundrohr folgenden Stimmbogen ein und ebnete damit dem Instrument den Weg in das spätbarocke Orchester. Durch den Wechsel des Stimmbogens wird die Grundstimmung des Instrumentes verändert und macht damit das Spiel in mehreren Tonarten möglich. Erst um 1750 wurde dieses Horn vom so genannten Inventionshorn abgelöst, bei dem der Stimmbogen in der Mitte des Rohres eingebaut wurde.
Entwicklung des Inventionshorns
Tatsächlich führten mehrere Faktoren dazu, dass es zur Entwicklung des IH kam! Das Grundinstrument war das Corno da caccia, der Nachfolger war später das heutige Waldhorn. Das IH stellt damit einen Zwischentypus dar.
- Stopftechnik
Um 1753 entwickelte der tschechische Hornist Hampel (ca. * 1710, † 1771) die Stopftechnik und gab diese als einer der besten Lehrer seiner Zeit auf diesem Instrument auch an seinen Schüler (Giovanni Punto) weiter. Mit dem Stopfen bewirkt man eine Tonhöhenänderung (Vertiefung) der vorherigen Naturtöne mittels des Verschließens des Horntrichters mit der (meist) rechten Hand. Könner können dadurch nahezu eine Terz tiefer intonieren. Vor allem kann die Technik für die „Harmonisierung“ der so genannten „offenen“ Naturtöne verwendet werden. Die Anwendung bedarf vieler Übung, da bei jedem Naturton eine andere Tonvertiefung notwendig ist. Besonders bei schnelleren Läufen stößt die Stopftechnik an ihre Grenzen, da die Bewegung der Hand ihre Zeit braucht. Durch das Stopfen verändert sich auch die Klangfarbe eines Tones (und die Lautstärke), wodurch zumeist ein kräftigeres Anblasen notwendig wird (was wiederum die Tonhöhe erhöht…). Auch zum Ausgleich der Intonation beim modernen Ventil-Waldhorn wird die Stopftechnik verwendet.
- Wechsel zum Trichtermundstück
Gleichzeitig vollzog sich der Wechsel vom Kesselmundstück zum Trichtermundstück, mit dem der Klang noch runder und „romantischer“ wurde.
- Einbau des Inventionszugs
Eine weitere Verbesserung gelang Hampel um 1750 mit dem Einbau eines Inventionszuges in das Horn. Diese Technik war bei Trompeten schon geraume Zeit im Einsatz. Die verschiedenen Stimmungen des Naturhorns werden mit Aufsatzbögen realisiert. Dieses zusätzlich eingefügte Stück Rohr gab dem Instrument je nach Länge eine andere Stimmung; auch zum Stimmen konnte der Bogen verwendet werden. Feinstimmung wurde durch kleine Aufsatzstücke ermöglicht. Hampel ließ durch den Instrumentenbauer Johann Werner einen Zug (Inventionszug) in der Mitte des Horns anbringen, um diese Feinstimmung besser umzusetzen (völlig neu war die Idee nicht, denn bereits um 1700 hatte der Wiener Instrumentenbauer Michael Leichamschneider ein Horn mit wechselbarem Stimmbogen konstruiert). Die großen Aufsatzbögen für die Grundstimmen blieben erhalten. Erst ab 1800 kam später noch die Form des Cor solo hinzu. Dieses hatte ein festes Mundrohr und die Stimmbögen wurden auf den Mittelzug gesteckt. Da der Wechsel umständlicher war (das feste Mundrohr hatte jedoch Vorteile), war diese Variante, wie es der Name auch sagt, nur Solisteninstrumenten vorbehalten (siehe Instrument von Korn in der Sammlung Leipzig). Jedoch gab es zu dieser Zeit auch immer einfachere Instrumente, welche fest in ihrer Tonart (meist in D oder Es) gebaut waren. Diese Verbesserungen machten es jetzt möglich, das Horn in jeder Tonart chromatisch spielen zu können.
Der Hornist Carl Thürrschmidt ließ von Lucien-Joseph Raoux in Paris ein weiter verbessertes Inventionshorn bauen, das nur für die Stimmungen und F, E, Es und D ausgelegt war und deshalb das Spiel der damals vorhandenen Sololiteratur für das Instrument erleichterte. Dieses Horn diente der Entwicklung des Ventilhorns als Grundlage.
Trichterbemalung eines Inventionshorns - Musikinstrumentenmuseum Kremsegg - Bild Autor
Von den Bemalungen der historischen Hörner sind nur wenige gut erhalten, da im Spielgebrauch ja die Hand im Trichter lag und damit die Lackierung verschliss.
Die Ablösung durch das Waldhorn
Die letzte einschneidende Veränderung des Horns (wie der übrigen Blechblasinstrumente) war die Erfindung des Ventils, das um 1813 vom Hornisten Friedrich Blühmel erfunden wurde. Der Hornist und Mechaniker Heinrich Stölzel, der unabhängig von diesem ebenfalls ein Ventilhorn entwickelt hatte, einigte sich mit Blühmel über dessen Rechte und hat sich seine Erfindung am 12. April 1818 patentieren lassen. Zunächst mit zwei Ventilen gebaut, wurden sie am Beginn noch wie Naturhörner geblasen, die Ventile ersetzten nur den umständlichen Bogenwechsel. Um 1830 haben verschiedene Instrumentenbauer unabhängig voneinander ein drittes Ventil hinzugefügt. Während anfangs klassische Hornisten die Einführung dieser so genannten „Maschinenhörner“ belächelten und ablehnten, war um 1850 der Wechsel in fast allen Orchestern vollzogen.
Entwicklung des Inventionshorns - Grafik: Martin Geyer
Zur Spielpraxis des IH
Zum Wechseln des Bogens wird eine gewisse Zeit benötigt – man findet deshalb in den Noten durch den Komponisten berücksichtigt immer entsprechende Pausen im Hornsatz, in denen die Bögen gewechselt werden können.
Während vorher die Hornisten immer in den hohen Lagen spielen mussten um chromatische Töne zu erreichen, konnte jetzt mit Hilfe der Stopftechnik auch in tiefen Lagen gespielt werden. Dies erleichterte die technischen Anforderungen an die Hornisten.
Seit der Einführung des Inventionshorns wurde dieses nun erstmals mit zwei Händen gehalten, wobei die rechte Hand im Schallbecher liegt. Vor allem für den 2. Hornisten (Secondo Spieler bzw. Secondarius) wurde die Stopftechnik zur Hauptaufgabe, der chromatische Passagen und atemberaubende Sprünge zu bewältigen hatte.
Auch auf dem Parforcehorn können die Stücke für Inventionshorn gespielt werden, die Handhabung bei unseren meist 2 ½-windigen Hörnern ist jedoch umständlicher.
Werke und Interpreten
Einer der bedeutendsten Vertreter für das IH war Giovanni Punto (eigentlich Johann Wenzel Stich).
Den musikalisch begabten Sohn des bei Grafen J. J. Thun leibeigenen Kutschers V. Stich sandte der Graf zur Ausbildung auf dem Horn nach Prag und zum Hornisten des Grafen Mannsfeld Jan Schindelarz nach Dobris. 1763 sandte der Graf Stich noch zum Schüler von Schindelarz, dem aus Dobris gebürtigen K. Houdek nach Dresden. Bei Houdek und dessen Mitspieler, dem Hornisten Anton Joseph Hampel erlernte er die von diesem entwickelte Stopftechnik, die er später perfektionierte. 1764 kehrte er in die Hofkapelle des Grafen Thun zurück, spielte jedoch nicht nur Horn, sondern musste auch in Livree Dienst als Diener tun. Im Jahre 1768 floh Stich aus der Leibeigenschaft des Grafen, wohl zuerst nach Augsburg. Graf Thun ließ Stich mit Steckbrief suchen, seine Späher entdeckten Stich in Augsburg unter dem Namen „Bomba“. Als Stich merkte, dass er entdeckt war, floh er erneut. Ab 1769 trat er unter dem Künstlernamen Giovanni Punto auf, dies war sowohl seiner Tarnung förderlich, als auch dem allgemeinen Trend unter Künstlern dieser Zeit, seinen Namen zu italienisieren. Weitere Stationen in seiner Laufbahn waren Würzburg, Mainz, London und Paris und Wien. Er war zu seiner Zeit ein großer Hornvirtuose und Star mit internationalen Auftritten.
Heutzutage gibt es eine erfreuliche Renaissance dieses Naturhorns. Große Verdienste bei der Wiederbelebung und Interpretation haben sich der Hornist Hermann Baumann und Die Deutschen Naturhornsolisten erworben.
Hier ein Youtube-Artikel von Barry Tuckwell, in dem das Inventionshorn anschaulich erläutert wird:
Bekannte Stücke für IH:
Mozarts Hornquintett KV 407, z.B. https://www.youtube.com/watch?v=v3aKQBYELWw
Anton Reicha, 24 Hornstücke, z.B. https://www.youtube.com/watch?v=d0Pk0NnUjmg
Anton Richter, 6 Hornquartette (eingespielt z.B. durch Deutsche Naturhornsolisten)
Beispiel 5. Satz, Adagio:
Das IH heute
Zahlreiche Werkstätten und Hornbauer bauen auch heutzutage noch Inventionshörner. So z.B.:
• Engelbert Schmid, Mindelzell
• Hoppe-Naturhorn, Warstein
• Daniel Kunst, Bremen
• Syhre, Leipzig
• Ewald Meinl, Geretsried
Die Preise liegen dabei regelmäßig von 2000.- bis 4000.- EUR.
Die Hörner werden in unterschiedlicher Ausführung gebaut, man bezieht sich meist auf historische Hörner:
• Mensur nach M. Leichamschneider (ca. 1718)
• Mensur nach Ignaz Lorenz
• Mensur nach Courtois (Instrumentenbauer), Paris (ca. 1820)
• Mensur nach Korn, Mainz (ca. 1930)
Inventionshorn nach Ignaz Lorenz - Engelbert Schmidt
Literatur:
http://roxikon.de/instrumente/blasinstrumente/inventionshorn/
Untersuchungen zum Stopfen bei Hörnern, Diplomarbeit aus musikalischer Akustik, durchgeführt von Stefan Wachter
https://de.wikipedia.org/wiki/Horn_(Instrument)