Hornbrief Juni 2019 - Gastbeitrag von TrumpetScout: "Ansatztypen: über Upstreamer, Downstreamer und die richtige Mundstückposition"

es gibt so viele Meinungen über die richtige Mundstückposition wie es Bläser gibt. Aber immer muss der eigene Ansatz selbst gefunden werden - zumindest mit Unterstützung eines Lehrers. Trumpetscout - Trompeter - schrieb in seinem Blog im März 2017 einen interessanten Artikel über die unterschiedlichen Typen - und dass es nicht die eine Wahrheit gibt! Herzlichen Dank für die Zusage zur Verwendung! (http://trumpetscout.de/)

(diese Aussagen gelten bei uns vorwiegend für das Fürst-Pless-Horn - bei den Parforcehörnern gehen wir meistens davon aus, dass wir die Töne mit der (schwingenden) Oberlippe erzeugen)

Martin Geyer

Ansatztypen: über Upstreamer, Downstreamer und die richtige Mundstückposition

Bei den Trompetern und ihren Ansätzen ist die Bandbreite groß: Der eine spielt nach oben, der andere nach unten, einer setzt mittig an, der andere seitlich. Spielt die Positionierung des Mundstücks überhaupt eine Rolle oder gibt es gar kein Richtig oder Falsch? Der TrumpetScout regt zum Nachdenken an.

Wir alle sind geprägt von Vorbildern und manchmal besessen von fixen Ideen. Die Vorbilder können schlechte sein und die Ideen abstrus. Der TrumpetScout fand als kleiner Junge gefallen am Ansatz älterer Trompeter, mit dem diese so sehr „nach oben“ spielten, dass sie das Kinn beinahe auf die Brust legen mussten, um nicht die Zimmerdecke anzublasen. Wie viele Anfänger, und speziell im Kindesalter, spielte TrumpetScout Junior eher den Boden an und hielt sein Instrument manchmal fast wie ein Klarinettist. Ein Überbiss machte das Unterfangen „Trendwende“ nicht leichter und alle Versuche, den Unterkiefer nach vorne zu schieben wirkten schon damals sehr widernatürlich und auch neurotisch.

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Little TrumpetScout höchst konzentriert

Der prägende Lehrer brachte dann noch eine weitere Komponente in das optisch bestimmte Ansatzbild: Dieser hatte so viel gespielt, dass auf der Oberlippe ein „ewiger Halbkreis“ wie eingebrannt war. Nicht nur eine Rötung wie bei allen Profis, sondern ein echtes Halbrund. Mindestens 50% des Mundstückrandes saßen auf der Oberlippe auf. Im frühpubertären Hirn verankerte sich das Ideal, möglichst viel vom „Unternasenfleisch“ in den Kessel zu bringen. So wurde das Mundstück beim Ansetzen von den Nasenlöchern herunter gezogen. Gerade so viel wie nötig. An so etwas gewöhnt man sich und mit der Tonerzeugung klappte es alsbald sehr gut.

Schleichende Veränderungen beim Ansatz

Schon immer war der Ansatz auf der horizontalen Achse absolut zentriert, auf der vertikalen jedoch durch die oben beschriebenen Hyperkorrekturen tendenziell unausgeglichen: Die Oberlippe war mehr belastet. Was sich jedoch mit zunehmendem Alter weiter veränderte, war der Winkel. Obwohl sich der Überbiss in der Pubertät natürlich nicht verkleinerte, wurde der Winkel zwischen Trompete und Körperlängsachse größer – kurz: Der TrumpetScout spielte gerader und nach unten nur, wenn der Kopf (z.B. beim Notenlesen) stark geneigt war. Dass so etwas keine Ausnahme ist, wurde durch das Gespräch mit Rüdiger Baldauf deutlich, der bei sich die gleiche Veränderung wahrnahm.

Nach nun fast 28 Jahren als Trompeter ergab sich jüngst die Möglichkeit, einen Workshop mit Andy Haderer zu besuchen. Dieser erklärte einem Teilnehmer, dass er darüber nachdenken solle, das Mundstück ein bisschen mehr nach unten zu versetzen, da er es ebenfalls sehr weit oben positioniere. Der TrumpetScout hat die Transferleistung zunächst nicht vollbracht und auf den eigenen Fall geschlossenen, aber dennoch nachgefragt, wie sich der Ansatz im Laufe des Lebens beim Lead-Trompeter der WDR Big Band entwickelt habe. Skurril: Auch er hat sich Vorbilder gesucht, die nach oben spielen. Jedoch nicht, weil ihm das schlicht ästhetisch gefiel, sondern weil er ein System ausmachte: Alle Trompeter, deren Ton ihn beeindruckte, spielten ebenfalls nach oben. Und in der Tat, schaut man sich die großen Namen an, scheint an Haderers Vermutung etwas dran zu sein.

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Der Körper und der Ansatz: Physiognomie oder Technik?

Natürlich schert weder Andy Haderer alle Trompeter über einen Kamm noch sollte ein TrumpetScout-Leser jetzt die Welt in gute und schlechte Trompeter anhand der Optik einteilen. Ein tendenzielle Zweiteilung lässt sich aber schwer leugnen: In der Klassik spielt man eher nach unten, im Jazz-Bereich eher nach oben. Sergej Nakariakov ist ein gutes Beispiel hierfür, aber auch im Orchester sieht man kaum Trompeter mit „prosperierender Ansatztechnik“. Das mag auf grundsätzlich verschiedene Schulen zurückzuführen sein. Thomas Gansch beispielsweise bezeichnet sich selbst als „Downstreamer“ (meint damit aber wohl eher, dass sein Mundstück nach unten zeigt) und hat eine klassische Ausbildung durchlaufen, wechselt aber den Ansatz, wenn er ins oberste Register abschwirrt.

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Die Rolle des Körperbaus (vornehmlich Kiefer- und Zahnstellung) wird prinzipiell niemand leugnen, nur haben die allermeisten Menschen einen leichten Überbiss, darunter auch viele, die als Trompeter gerade oder nach oben spielen. Gewohnheit und Technik dürften die größere Rolle spielen, wenn es um den vertikalen Winkel geht. Stehen die Schneidezähne aber so, dass die Auflagefläche des Mundstücks nicht gerade nach vorne zeigt, dürfte das den horizontalen Winkel stark beeinflussen. Man spielt dann vermutlich eher seitlich.

Upstreamer & Downstreamer – eine Begriffsklärung

Gerade fiel bereits des Begriff des Downstreamers. Was aber ist das eigentlich? Ganz offensichtlich ist die Bedeutung nämlich nicht und wurde oben wissentlich falsch benutzt. Es geht nicht um den Winkel der Trompete auf dem Mund, sondern um den Austrittswinkel der Luft. Diese sind keineswegs gleich.

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Der Streaming-Typ dürfte tatsächlich mit der Kieferstellung zu tun haben. Liegt der Oberkiefer weiter vorn als der Unterkiefer, bläst man die Luft nach unten. Demnach dürften die meisten Menschen, die Trompete oder ein anderes Kesselinstrument spielen, Downstreamer sein. Feststellen lässt sich das zweifelsfrei durch diese Probe: Einfach Buzzen ohne Mundstück und mit der Hand erfühlen, wo die Luft hingeht. Beim TrumpetScout weht der Wind knapp übers Kinn.

Vermutungen früherer Wissenschaftler, dass nur der gerade Luftausstoß der optimale sei, da er die Luft direkt in den Schaft und dann weiter ins Instrument drückt, konnte durch eine Untersuchung in den 70er Jahren an 40 führenden Hornisten praktisch widerlegt werden: 39 davon waren Downstreamer, einer ein Upstreamer. „Straightstreamer“, wie sie der TrumpetScout in der Abbildung oben nennt, sind wohl nur theoretisch existent.

Weiterführende bzw. belegende Informationen und Videos zum Thema Strömungsrichtung finden sich übrigens hier.

Die Mundstückposition: Winkel und Lippenverhältnis

Bei einem starken Überbiss kann das Trompetespielen zu Verletzungen der Lippen führen, wenn das Mundstück einfach auf die fleischgepolsterten Zähne gesetzt wird. Ein großer Versatz zwischen Ober- und Unterkiefer bedingt eine geringe Auflagefläche, also nur punktuellen Kontakt, der dann höherem Druck ausgesetzt ist. Wenn einer dieser Kontaktpunkte die Kante der oberen Schneidezähne ist, sind Probleme beinahe vorprogrammiert. Bei den meisten Spielern wirkt der Körper dem aber automatisch entgegen. Vielleicht deshalb hebt sich die Trompete im Laufe des Lebens – und nicht nur wegen stärker gewordenen Armen. Dass aber nach oben spielen besser sein soll als gerade, ist nicht plausibel. Eine halbwegs gerades Spielen ist aus Sicht der gleichmäßigen Belastung jedoch sicher besser als ein „Klarinettieren“.

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Gleichmäßige Belastung ist aber auch ein wichtiger Begriff, wenn es um die Positionierung des Mundstücks auf den Lippen geht. Wie eingangs beschrieben, hat der TrumpetScout bis heute vornehmlich auf der Oberlippe gespielt. Andy Haderer sieht das oft und hört sogar Sätze wie: „Meine Unterlippe ist noch total fit, nur oben bin ich k.o.!“ Er rät alleine aus Ausdauergründen dazu, beide Lippen möglichst ausgewogen zu belasten, schließlich hat man zwei davon.

Außerdem klinge man besser, wenn man den Lippenspalt nicht zu tief oder zu hoch platziert, so Haderer. Und genau das hat den TrumpetScout dazu bewogen, alte Gewohnheiten über Bord zu werfen und zuhause zu experimentieren. Zunächst fühlte es sich schlicht falsch an, vertikal betrachtet mittiger anzusetzen (das staubige Programm mit alten Idealen ist tief implementiert). Doch der tonliche Effekt war frappierend! Der Klang wurde sofort voller, freier und reiner. Noch besser war jedoch, dass weder Flexibilität noch Höhe verloren ging (das ist ja die Angst schlechthin eines Trompeters!). Im Gegenteil, die Fahrt durch die Oktaven wurde leichter. Sogar der Problemton A3 konnte so satt gespielt werden wie noch nie zuvor.

Fortschritt nicht durch Umstellung, sondern Anpassung

Laut wissenschaftlicher Studien gibt es immer eine dominante Lippe. Die wird beim TrumpetScout immer die Oberlippe bleiben, weshalb ein Ansetzen zu weit unten ein schlechteres Ergebnis hervorbringt als eines an der oberen Grenze. Diese Dominanz ist aber individuell verschieden.

Ein Beispiel zeigt TrumpetScout auf https://www.youtube.com/watch?v=I0t5YiGj-f0#action=share

Auf jeden Fall soll der Entwicklungssprung des TrumpetScout nach einem ungeplanten 2-Stunden-Besuch in einem Haderer-Workshop allen Lesern Mut machen, selbst ein bisschen zu experimentieren und auch an den Stellen anzusetzen, die man nie als Schwächen ausgemacht hat. Etwas grob und hochinvasiv umstellen, das machte auch Haderer deutlich, sollte man eigentlich nie, vielmehr feintunen. Wenn es um nichts geht, z.B. beim Warm-up, kann man ohne Bedenken so etwas wie eine leicht veränderte Mundstückposition ausprobieren. Wie man im Video oben feststellen kann, ist der Unterschied kaum sichtbar. Hör- und spürbar ist er aber ganz gewiss.

 

 

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