Hier ein kleiner Exkurs zu unseren Nachbarn mit einem Gastbeitrag mit einem großen Verfechter des Alphorns, Hans-Jürg Sommer (www.alphornmusik.ch).
Auch bei uns gibt es immer wieder kleine Alphornformationen, so z.B. eine in Neumarkt, aber auch die Oberpfälzer Parforcehornbläser (OPf) pfleg(t?)en dies, die Website listet alle bekannten Formationen, auch in Deutschland.
Auch gibt es eine eigene Notenliteratur für die Hörner, die ähnlich der für Es-Parforce-Hörner ist (Beispiel anbei). Aufgrund der Längen (Es-Parforce/Alphorn) sind die Tonumfänge vergleichbar.
Die etwas schwerere Ansprache der Holzhörner wird meist dahingehend berücksichtigt, dass selten schnellere Passagen gesetzt sind. Ein Hörbeispiel - und die besondere Stilistik der Alphörner findet man unter https://alphornmusik.ch/aufsaetze/klingender-vergleich.html.
(Bild: Ausschnitt aus wikipedia, Alphorn, Alphorn players in Vals GR, Switzerland, 2005)
Gastbeitrag von Hans-Jürg Sommer (mit freundlicher Erlaubnis des Autors):
Innerhalb der Blasinstrumente mit Kesselmundstück unterscheidet man grundsätzlich zwischen Horninstrumenten (mehrheitlich konischer Rohrverlauf) und Trompeteninstrumenten (mehrheitlich zylindrischer Rohrverlauf). Das Alphorn, welches in seiner ganzen Länge konisch verläuft, gehört also eindeutig in die Familie der Hörner. Da auch der «Büchel» (wie eine Trompete gewundenes, kürzeres Holzhorn) in seiner ganzen Länge konisch verläuft, ist es falsch, hier von einer «Holztrompete» zu sprechen; obwohl der Büchel in seiner Form eher einer Trompete gleicht, gehört auch er in die Familie der Hörner.
Geburtsort und -stunde des Alphorns sind - und bleiben wohl - unbekannt. Horninstrumente sind auf allen Kontinenten, in verschiedenen Regionen und Zeiten «erfunden» worden. Sie wurden aus verschiedenen Materialien und in unterschiedlichen Formen hergestellt. Jedes auf beiden Seiten offene Rohr eignet sich als «Horn». Der Ton wird erzeugt indem die Luft im Rohr durch eine entsprechende Blastechnik (Lungen und Lippenarbeit) in Bewegung versetzt wird.
Je nach Material, Durchmesser, Rohrverlauf (zylindrisch oder konisch) und Dicke der Rohrwandung entsteht eine anderer Klang. Die Rohrlänge ergibt die Tonhöhe und hat einen wichtigen Einfluss auf den erzeugbaren Tonumfang innerhalb der Naturtonreihe (siehe «Naturtonreihe»). Da Naturhörner und -trompeten keine Grifflöcher, Klappen, Ventile oder Züge haben, kann auf ihnen nur die Naturtonreihe gespielt werden. Um in dieser Skala einen musikalisch brauchbaren (interessanten) Tonumfang blasen zu können, muss das Rohr eine minimale Länge und im Verhältnis dazu einen maximalen Durchmesser haben. Auf ganz kurzen Hörnern (z.B. einem ausgehöhlten Tierhorn) können nur 1-2 unterschiedlich hohe Töne geblasen werden (1. und 2. Naturton). Auf sehr langen Hörnern ergibt sich keine klare Trennung der Tonhöhen mehr (die Töne «sitzen» nicht gut, sie gleiten «nahtlos» ineinander über).
Wenn wir heute von einem «Alphorn» sprechen, meinen wir ein langes, gerades, unten abgebogenes Holzhorn. Die Bezeichnung «Alphorn» wurde jedoch in früheren Zeiten auch für andere Hirteninstrumente in den Alpenregionen verwendet. Es ist daher oft schwierig herauszufinden, ob in alten schriftlichen Quellen von einem Alphorn im heutigen Sinne die Rede ist. Ebenso schwierig ist es, sich anhand von altem Bildmaterial zu orientieren. Für Laien sind aber auch die überlieferten musikalischen Aufzeichnung irreführend! Eine auf einem kurzen – 170cm langen – Hirtenhorn geblasenen Melodie erklingt in der Tonhöhe (relativ, in C) zwischen g’ und g” innerhalb der Naturtonreihe spielt der Bläser jedoch zwischen dem 3. und 6. Naturton, also zwischen (relativ) «Bassg» und g’. Die Melodie erklingt also deshalb um eine Oktav höher, weil das Instrument nur halb so lang ist, wie die heutigen Instrumente. Innerhalb dieses (tiefen) Tonraumes können die Töne d” und das «Alphorn-fa» aber nicht geblasen werden, weil sie im unteren Bereich der Naturtonreihe nicht existieren! Diese Unkenntnis, Irreführung mag vielleicht dazu beigetragen haben, dass lange Zeit behauptet wurde, man habe in früheren Zeiten die (etwas schiefen) Töne b und das «Alphorn-fa» nicht geblasen.
Die «Sinfonia pastorella» von Leopold Mozart ist in G-Dur gesetzt. Ein heutiges Alphorn in der Grundstimmung G ist ca. 327cm lang. Auf einem Instrument dieser Länge kann in der Naturtonreihe ohne weiteres vom 1. bis zum 12. Ton (Grundton bis g”) geblasen werden. Das (relativ) d” und das «Alphorn-fa» könnten also leicht vom solistisch eingesetzten «Alphorn» erzeugt werden. Leopold Mozart schrieb jedoch die (Alphorn-) stimme ohne diese beiden Töne. Sicher nicht deshalb, weil er sie als falsch empfunden hätte, denn das «Alphorn-fa» wird durch die Streicher (Violinen) imitiert! Wahrscheinlicher ist demnach, dass das in dieser Zeit verwendete Hirtenhorn nur ca. 163cm lang war. Dann wiederum würden die gesetzten Noten den Naturtönen 3 - 6 entsprechen... und in dieser (unteren) Region der Naturtonreihe können das (relativ) d” und das «Alphorn-fa» nicht erzeugt werden. Dieses Beispiel verdeutlicht die Unsicherheit, die Ungewissheit in der Erforschung der Geschichte des Alphorns.
Die typische Form des Alphorns (unten abgebogener Schallbecher) begründet sich wahrscheinlich aus der Praxis. Ein ca. 300cm langes Holzhorn kann nicht über längere Zeit nur mit den Händen in der Luft – frei schwebend, wie ein Fanfareninstrument – gehalten werden. Damit nun aber nicht «in den Boden» geblasen werden muss, was ja bei einem geraden Horn dieser Länge geschehen würde, muss ein «Bastler» unter den Hirten auf die Idee gekommen sein das Rohr unten abzubiegen. Dies wurde ursprünglich dadurch erreicht, dass man geeignete Tannen, welche an einem Abhang gewachsen sind, zum Instrumentenbau verwendete. So wurde die typische Krümmung des Alphorns sozusagen von der Natur gegeben.
Einige schriftliche Zeugnisse sprechen von «Alphörnern» welche vor 1500 in Gebrauch waren. Diese Berichte, Erzählungen wurden allerdings oft erst 2-300 Jahre später aufgeschrieben. Für diese «Alphörner» wurden Namen wie; bucina, tuba, litui, lituum alpinum, cornua alpinum u.a. gebraucht.
In seinem «Lebensbericht» schreibt der Walliser Thomas Platter (geb. 1499), dass er «des hirten Horen» habe blasen können. Frau Dr. B. Bachmann ist der Meinung, dass dieses Horn offensichtlich kein einfaches, kurzes Horn gewesen sein könne, sonst wäre es nicht erwähnt worden. Es müsse also ein Instrument gewesen sein, das musikalisch mehr hergegeben habe, so dass Platter dies quasi mit Stolz erwähnt habe. Thesen, auch wenn sie einleuchtend und logisch erscheinen, sind jedoch keine Beweise.
Ein Eintrag im Rechnungsbuch des ehemaligen Klosters St. Urban (LU) lautet (1527): «Einem Walliser mit Alphorn gen 2 Batzen». Ob dieses «Alphorn» unseren heutigen Vorstellungen entsprechen würde, ist auch mit diesem Eintrag nicht belegt. Der Eintrag ist jedoch die älteste schriftlich festgehaltene - bis heute bekannte - Quelle des Begriffs «Alphorn».
Die älteste bis heute gefundene Beschreibung des Alphorns findet sich in Conrad Gessners «De raris et ad-mirandis herbis» (1555-1556). Er schreibt, dass die Instrumente aus zwei krummen und ausgehöhlten Hölzern, die mit Weidenruten fest zusammengebunden sind, bestehen würden. Die Länge betrage 11 Fuss (330-340cm).
Das Altarbild der Bergkapelle Rohrmoos bei Tiefenbach (D, Allgäu) von 1568 zeigt einen «Alphornbläser» mit einem geraden Instrument (unten nicht abgebogener aber grosser Becher), dessen Länge ungefähr derjenigen entspricht, wie sie Gessner genannt hat.
Spätere Erwähnungen in Schrift und Bild ergeben kein klareres Bild des Alphorns. Weiterhin existieren offensichtlich das lange Alphorn und die kürzeren Hirtenhörner mit- und nebeneinander. Meist wird die Bezeichnung «Alphorn» auch für die kürzeren Hirtenhörner verwendet. Noch am Anfang des 19. Jh. anlässlich der Unspunnenfeste wird das kurze «Unspunnenhorn» als Alphorn bezeichnet, obwohl auf diesen kurzen Instrumenten die heute bekannten Alphornmelodien gar nicht geblasen werden können.
Da einige Schreiber (im 17. und 18. Jh.) bedauern, dass das lang Horn nicht mehr geblasen werde kann davon ausgegangen werden, dass die kürzeren Instrumente beliebter waren. Ich nehme an, dass der Grund darin lag, weil lange Instrumente (die ja damals aus einem Stück gefertigt waren und nicht wie heute in 2, 3 Teile zerlegt werden konnten) die Mobilität behinderten. Schweizer Alphornbläser wurden als Musikanten in fremde Kriegsdienste verpflichtet. Oder im Winter zogen die Alphirten in die Städte um als Strassenmusikanten der sogenannten Bettelbläserei zu frönen. Dazu eigneten sich die kurzen Hirtenhörner sicher besser als die über 3 Meter langen Alphörner.
Dass die Instrumente noch am Anfang des 20. Jh. in ihrer Länge sehr unterschiedlich waren, belegt ein Foto der Alphornbläser am Eidgenössischen Schwing- und Aelplerfest, Bern 1921. Diese strammen Mannen konnten mit ihren unterschiedlich langen Instrumenten sicher kein Stück gemeinsam vortragen!
Foto: Nachlass Fritz Zwygart
1826 müssen bereits «Alphörner» nach Schablonen - d.h. in einheitlicher Länge - hergestellt worden sein. Denn 1826 hat Ferdinand Huber an einem Kurs in Grindelwald mit seinen Schülern «zwei- und dreistimmige Jodler, rhythmisch und rein blasen können».
Die heute in der Schweiz gebräuchlichste Länge ergibt eine Stimmung in Fis/Ges (ca. 347cm). Durch das vermehrte Zusammenspiel mit anderen Instrumenten werden aber auch immer mehr Alphörner in F (ca. 368cm) verkauft. In einzelnen Regionen finden wir aber auch Instrumente in As (ca. 309cm) oder E (ca. 389cm).
Alphörner werden heute auf verschiedene Arten hergestellt. Einerseits die «traditionelle» Herstellung aus massivem Holz in Handarbeit. Andere benutzen zur Herstellung eine Kopierfräse, womit gleichzeitig mehreren Instrumenten die grobe Innen- und Aussenform gegeben wird. Neuste Herstellungsverfahren nutzen computergesteuerte (CNC) Maschinen. Wieder andere Hersteller machen die Rohre aus schichtverleimten Furnier. Anstelle der Weiden- oder Bastumwicklung wird Peddigrohr gebraucht. Der Schallbecher wird nicht mehr aus einer krumm gewachsenen Tanne herausgearbeitet, sondern aus einem (resp. zwei oder mehr) entsprechend grossen Holzklötzen.
Ganz neu bietet ein Hersteller Alphörner aus Kohlefasern, welche wie ein Teleskop ineinander geschoben werden können, an. Experimente wie die Herstellung des längsten Alphorn sind als ebensolche zu betrachten... als Experimente. Genauso wie diejenigen «Alphörner», die mit Ventilen versehen werden.
Bücher zum Thema:
«Das Alphorn - vom Lock- zum Rockinstrument» von Brigitte Bachmann Geiser, Verlag Paul Haupt, 1976.
«Alphorn und Hirtenhorn in Europa» von Franz Schüssele, Verlag Gälfiässler, 2000.
H.-J. Sommer, im Januar 2001/2018