Der Hornbrief November 2021 - Fleißige Komponisten für das Es-Horn
Hallo, liebe Leser,
Wissen, das man nicht braucht - das könnte sich mancher denken bei diesem Hornbrief! Für mich war es aber mal eine interessante Spielerei, diese kleine Analyse zu machen.
Woher kommt eigentlich die Masse an Jagdhornliteratur für das Es-Horn (inkl. D-Horn (Trompe))? Wer sind die Vielschreiber? Welches Land hat die Nase vorn?
Eine Sichtung des Notenarchives ergab folgendes Bild (über 3.600 Es-Horn-Stücke):
Komponist | Anzahl Kompositionen |
Hayden Johann | 137 |
Schantl Josef | 129 |
Oudot Sylvain | 128 |
Dampierre Marquis de | 99 |
Heinrich Hubert | 94 |
Devert Anthelme | 82 |
Tyndare Gruyere Charles | 79 |
Stiegler Karl | 75 |
Sollfelner Anton Othmar | 68 |
Kling Henri | 66 |
Anton Ondrej (Andreas) | 64 |
Reiter Josef | 64 |
Sombrun Alexis (Albert) | 61 |
Deisenroth Friedrich | 54 |
Chalmel Gaston | 53 |
Diese Zählung umfasst alle Werke (Komponisten mit mehr als 50 Werken), die für Es-/D-Horn geschrieben wurden, im Notenarchiv erfasst sind (!), und keine Arrangements sondern Eigenkompositionen sind. Natürlich wird es bei manchen Komponisten mehr Werke geben, teilweise bespreche ich das in den Details. Diese Liste drückt natürlich nicht aus, was davon bekannt ist, was häufig gespielt wird und vor allem die Qualität der Stücke. Dies muss jeder selbst herausfinden - Geschmack ist Geschmack!
Zu den Details:
Johann Hayden gilt zu Recht als Vielschreiber, hat zahlreiche Werke herausgebracht, dies auch im B-Horn-Bereich. So ist sein Gesamtwerk noch um einiges größer. Seine Werke gehen von einfachen bis technisch und interpretativ schwierigen Stücken, es ist für alle Bläsergruppen etwas dabei!
Josef Schantl, der große Hornist, Komponist, der große Verfechter für das Jagdhorn im Kaiserreich, der wesentlich für den Boom der Jagdmusik in Österreich verantwortlich ist. Er war ein großer Liebhaber der Jagd und jagdlichen Musik. Die Aufgabe für den Makart-Festzug Fanfaren zu schreiben bescherte uns ca. 40 schöne Fanfaren. Seine Zugehörigkeit zur "Adeligen Jagdgesellschaft" bewirkte (vermutlich) viele Auftragsarbeiten. So schrieb er für die adeligen Jagdkollegen weiterhin (Personen-) Fanfaren, sowie die sogenannten "Revierfanfaren", die für die vielen jagdlichen Reviere seiner Jagdfreunde stehen. Dies mag ihm manche Jagdgelegenheit beschert haben! Sein Genre sind gefällige Fanfaren. Eigentlich müsste man Schantl auf das Siegertreppchen stellen, denn weitere 19 Werke sind noch unveröffentlicht im Museum.
Sylvain Oudot, der Leiter der "Debuché de Paris", hat inzwischen zahlreiche Werke veröffentlicht. Eine große Anzahl der Werke ist reichlich mit Stopftönen über alle Stimmen versehen, so dass sich seine Werke für viele Gruppen nicht eignen - wenn auch wunderschön geschrieben sind!
Marquis de Dampierre
Der Marquis ist hier "statistisch" mit 99 Werken erfasst, jedoch sind fast alle Werke Stücke der Jagdgebrauchsmusik, also WIld und Jagdleitsignale. Hier darf angenommen werden, dass viele davon historisch im Gebrauch waren und Dampierre diese gesammelt und erfasst hat.
Hubert Heinrich
Vielen bekannt durch sein "Hommage aux Picqeux", dass er mit 13 Jahren komponiert hat. Inzwischen umfasst sein Werk viele großen Kompositionen, teilweise mit Orgel, viele mit Stopftönen. Wunderbare Werke für meistens "fortgeschrittene" Bläsergruppen.
Devert Anthelme wurde erst letztens in den Hornbriefen beschrieben. Seine 82 Werke sind alle zugänglich auf www.a-devert.com. Die Werke sind sehr fordernd, sowohl für den Akteur als auch manchmal für den Zuhörer, da die Harmonie öfters "ungewohnt" ist.
Charles Tyndare Gruyere ist uns allen wohlbekannt. Seine Werke von "A Cheval" über "La Mort de Roland" bis zu "Plage Bretonne" sind häufig gespielt und gern gehört. Seine Werke gehören sicher zum Stammrepertoire vieler Gruppen.
Karl Stiegler trat sowohl vom Instrument als auch mit seinen Werken in die Fußstapfen von Josef Schantl. Er wird zurecht mit seinen eingängigen Melodien häufig gespielt. Und ganz eigentlich gebührt ihm letztendlich mit 210 eigenen Kompositionen (für Es-Horn) der Spitzenplatz. Die meisten seiner Werke sind jedoch nicht veröffentlicht.
Anton Othmar Sollfelner ist ein verdienter Musiker in Kärnten und Wien, der aus der österreichischen Militärmusik kommt. Bei uns sind seine Werke etwas weniger bekannt, es sind aber gefällige und in Österreich gern gespielte Werke. Bekannt ist z.B. sein "Festivo", ein prachtvolles Stück für Es-Hörner (insgesamt hat er über 200 Werke komponiert (nicht nur für Es-Horn).
Henri Kling wird hier statistisch mit 66 Werken geführt. Allerdings sind 54 davon Duette für Jagdhorn. Sein "Waldmärchen" oder "Echo aus dem grünen Wald" sind jedoch bekannt und gespielt.
Auch Anton Ondrej (Andreas) kann man hier nur "summarisch" den Rang geben mit 64 Werken. Fast alle seiner Werke sind Tier und Jagdleitsignale, die aus dem französischen abgeleitet sind.
Josef Reiter hat im Schwerpunkt Kirchenkompositionen gemacht, seine (20) Jagdkompositionen und 50 Stücke für Solohorn sind heutzutage kaum mehr bekannt.
Der Komponist Alexis Sombrun (fälschlicherweise in der Literatur oft als Albert Sombrun betitelt) ist wiederum ein bedeutender Komponist aus Frankreich. Manche seiner Stücke sind häufig gespielt, so sein "Les Echos des Vosges" oder "Souvenir de Bretagne" oder "Le Moulin de la Vierge". Die meisten seiner Stücke sind klassische Fanfaren, manche aber auch größere und beliebte Fantasiestücke.
Auch Friedrich Deisenroth war Militärmusiker und dort sehr aktiv. Deisenroth stellte 1957, kurz nach Gründung der Bundeswehr als Major das "Lehrmusikkorps" musikalisch auf. Auch in der jagdlichen Literatur war er sehr aktiv und schrieb Schulen für das Jagdhorn, Stücke für Parforce-Horn. Besonders bekannt ist in jagdlichen Kreisen seine "Marquis de Dampierre"-Jagd-Suite mit den Sätzen "An der Loire", "Im Wald von Fontainebleau", "Im Schloß von Blois" und "In den Ardennen" in denen der den französischen Stil nachahmt.
Gaston Chalmel (1907 - 1993) dürfte inzwischen den meisten bekannt sein. Er, der große Weiterentwickler der französischen Jagdmusik (nach z.B. Tyndare) hat 53 Werke geschrieben, oft mit Stopftönen. Er deckt mit seinen Werken eine große Spanne an unterschiedlichen Stilen ab.
Und wo ist Reinhold Stief?
Unser in der deutschen Jagdliteratur allgegenwärtiger "Urvater", vor allem der Es-Horn-Bläserei, rangiert mit 23 eigenen Kompositionen auf Platz 30. Ihm gebührt nichtsdestotrotz sein Rang als großer Verbreiter und (Wieder-) Erwecker der Parforcemusik in Deutschland (auch seine Hubertusmesse ist größtenteils ein Arrangement der französischen Messe (siehe Hornbrief "Die Hubertusmesse "von" Stief")
Auswertung nach Land
Viele Stücke konnten Ländern zugeschrieben werden, damit ergibt sich folgendes Bild:
Frankreich | 1127 |
Österreich | 772 |
Deutschland | 584 |
Tschechien/Böhmen | 152 |
Schweiz | 32 |
Nicht überraschend ist, dass hier Frankreich geschichtlich bedingt die Spitzenrolle einnimmt. Aber auch heutzutage noch gibt es einen großen Fundus zeitgenössischer großartiger Kompositionen, von z.B. Dimitry Donders oder Teknia Hervé.
Österreich hat historisch auch hier einen großen Vorsprung, stammen doch zahlreiche Werke aus der Kaiserzeit, aber auch hier geht die Geschichte weiter und es wird fleißig geschrieben.
Deutschland hat inzwischen eine Vielzahl, vor allem zeitgenössischen Komponisten, die etliche Werke schreiben, während der Fundus aus Tschechien/Böhmen eher historisch begründet ist.
Herzlichst grüßt sie - Martin Geyer
(Bild: Originalschrift von "Ernst, Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha" von Josef Schantl)