Der Hornbrief - Februar 2017 - Karneval in Paris

Karneval in Paris!!?? Was hat dies nun in einem "Hornbrief" verloren?

Um die Wende ins 20. Jahrhundert war es große Mode, das Trompe de Chasse zu blasen und das nicht nur auf dem Land sondern auch und vor allem direkt in Paris. Die große Verbreitung zeigt sich auch an der Vielzahl von "Professeurs de Trompe", also wirklich Professoren, die die Trompe an den Konservatorien unterrichteten. An Namen seien z.B. genannt: Thiberge, Normand, Gustave Rochard, Alexis Sombrun u.a. Und so wie die Trompe in der Musik allgegenwärtig war, so beherrschte diese auch den Fasching. Rund 5000 ! Bläser begleiteten die Umzüge und bliesen an allen möglichen Orten in der Stadt, an Kreuzungen, an Plätzen, in Parks.

Der beiliegende Artikel erzählt augenzwinkernd von der Trompe im Karneval, aber auch von "der Zeit danach"...

Auch ein eigenes Stück hat Lavigne dem Fasching gewidmet (hier als PDF: „Le Carnaval“), das ausnahmsweise mal nicht im 6/8-Takt daherkommt! ;-) (hier als Einspielung: Le Carnaval_Lavigne.mp3)

Aber schaut euch den folgenden Artikel an… (hier als PDF: Text Le Sonneurs-Übersetzung.pdf)

Mit vielen bläserischen Grüßen

Martin Geyer, Nürnberg                   Dr. Peter Neu, Coburg       

2017 02 trompeJagdhornbläser im Karneval in Paris - 11. Februar 1893

von http://www.rjmartz.com/sonneurs/ - Übersetzung Martin Geyer

Der alljährliche Karneval ist wieder da und die tausend verschiedenen Geräusche werden vom sonoren und freudigen Klang der Jagdhornbläser übertönt.

Tatsächlich ist der Klang dieses Instruments die dominierende harmonische Note im alljährlichen Narrentreiben, noch dazu dominieren die malerischen Jagdkostüme der Bläser in guter Pariser Manier den Tumult der Kostüme.

Die Trompe-Spieler sind an der Tagesordnung, man begegnet ihnen überall.

Nur kurz erblickt man sie auf den großen Umzügen, ihre Klänge gegen das grüne Laub schickend, das sie halb versteckt. Aber man kann sie leicht bewundern an den großen Straßen, wo sie im Kreis stehen und mit Lippen blasen, die man sich wünscht. Ein Hoch auf die Jagdhornbläser!

Aber auch für sie wird der Triumph nur kurz sein. Der „Tarpeische Felsen“ des Gründonnerstags ist nicht weit vom Höhepunkt des Faschingsdienstags entfernt. Sie lassen ihre letzten Stücke erklingen, der Karneval ist beendet und sie sind verschwunden. Was ist dann aus ihnen geworden? Das ist die Frage, die sich uns stellt und die wir versuchen wollen zu beantworten.

Sobald sich jemand dem Jagdhornblasen widmet, scheint es eine bezaubernde Übung zu sein. Tatsächlich wenn man die vier bis fünf Tausend professionellen und Laien-Bläser- die man in Paris zählt – befragt, wie sie es lieben, werden alle ausnahmslos mit „leidenschaftlich“ beantworten.

Aber wie man sehen wird, ist es ein langer Weg vom Trompe bis zu den Lippen. Dieses Instrument, das viele erfreut, erscheint vielen anderen als vielstimmige Kakophonie. Letztere, ohne Zweifel gutbürgerlich, unzugänglich für künstlerische Dinge, sorgen sich vor allem um ihre Ruhe. So haben diese erwirkt, dass zu anderen Zeiten als dem Karneval das Horn nicht in der Öffentlichkeit erklingen darf! „Vae Victis“ – Wehe den Besiegten!

Damit verurteilen sie die Bläser zu Schweigen, aber können dennoch nicht deren Begeisterung brechen – die Bläser finden Zuflucht im Untergrund. Deshalb ist es notwendig, dass wir zur Nachtzeit in die Keller gehen, um zuerst die Anfängerstunden und später den folgenden Konzerten zu lauschen.

Und lassen Sie uns eintreten, wenn Sie wirklich wollen, hier beim Weinhändler an der Ecke der Rue de Suresnes bei dem zwei Jagdhörner auf die Scheibe aufgemalt sind. Wir sind im Bezirk Malesherbes, abends um 9:00 Uhr. Welch Ruhe herscht schon in diesem aristokratischen Viertel. Im Laden ist es noch ruhiger. Kein Kunde ist da. Die gute Frau an der Theke schläft mit ihrer Katze auf dem Schoß, während das bläuliche Gaslicht in der Stille knistert und die Schatten an der mit Hirschgeweihen behängten Wand flackern. Diese Köpfe bestätigen uns, was die aufgemalten Geweihe uns schon zeigten, dass wir tatsächlich in einem üblichen Treffen der Trompe-Spieler sind. Vor uns ist eine Falltür in der linken Ecke des Ladens, oder eher eine Art Ladeluke nach unten. Wir öffnen die Tür und gehen hinunter. Die Treppe ist nur körperbreit und wir achten auf unsere Hüte beim durchschlüpfen. Einige sehr steile Treppen, ein Gefühl der Kühle, ein muffiger Geruch wie in einer Höhle. Rechts und Links, Fässer und Reihen von Flaschen. Vor uns beleuchtet ein Kellerfenster, das von der Gaslaterne des gegenüberliegenden Bürgersteigs durchdrungen wird, das Gewölbe mit Spinnweben die vom Luftzug erschaudern.

Noch hört man nichts, die Stille ist noch tiefer, nur dort oben rauscht sanft der Lärm der Straße. Und trotzdem sind wir angekommen.

Eine Tür, die hinter den Fässern versteckt ist, hat sich in der Tat eröffnet und plötzlich bricht es wie eine sonore Windhose hervor, ein Sturm der nach außen drängt. Von allen Seiten bricht der Donner gegen die Gewölbe, die Luft ist zum Zerreißen. Im Obergeschoss springt die Katze; Lauter Sturm füllt jetzt das Lager, das Haus, die Straße; die Hunde heulen klagend. Der ganze Bezirk füllt sich mit der Furien Lärm, die ganze Nachbarschaft vibriert.

2017 02 probenraum

Glücklicherweise dauerte dies nur einen Schuss lang an, bereits ist alles wieder in Stille versunken; die Tür, durch die wir eingetreten, wird sofort wieder hinter uns geschlossen.

Lassen Sie uns versuchen zu erkennen, was vor uns liegt: Das Licht einer einzigen Gasflamme leuchtet durch den durchsichtigen Pfeifenrauch und produziert eine strahlende und weiche Beleuchtung, als wenn die Wintersonne durch den grauen Nebel scheint. Unter dem Nebel erscheinen 25 schwarze Kreise, eine Gruppe, zerstreut, angeordnet oder aufgereith, scheinbar in der Luft schwebend, die dieses Geräusch produzieren.

Nun unterscheidet man besser. 25 Personen, Männer, Frauen und sogar zwei junge Kinder, sind eingeschlossen in dieser kleinen erstickenden winzigen Kammer, erdrückt unter der Schwerkraft der niedrigen überhängenden Gewölbe, eingeschlossen in dicken Mauern deren Öffnungen aufgefüllt oder zugestopft sind. DAS sind die leidenschaftlichen Meister und Schüler der Trompe!

Schauen Sie sich um: an der Wand über weißen Holzbänken kann man jagdliche Szenen erkennen, primitiv gemalt. In einem kleinen Bereich steht ein heller Holztisch beladen von Weinflaschen, voll und leer, und Gläsern auf kleinen bemalten Feldern und jeweils mit einem Buchstaben des Alphabets. So viele Gläser wie auch Spieler (meine Damen: all dies Blasen macht uns durstig!); Das Alphabet vermeidet Verwirrung: jeder weiß, wo er sein Glas abstellen und wieder aufnehmen kann.

Sofort stellen wir uns dem Leiter des Raums, dem Piqueur von Madame, der Herzogin von U… vor, einem der bewundertsten Trompebläsern von Paris. Er ist Professor und hat den Keller von unserem Weinhändler gemietet, ebenso wie seine Kollegen Hornmeister es bei anderen tuen und richtet diesen auf diese Weise her, wo er jeden Abend seinen Unterricht gibt, dem wir beiwohnen wollen.

Die Trompe ist nicht was die einfachen Leute denken, und die besten Glasbläser sind nur oder werden erbärmliche Hornisten, auch wenn beides ähnlich erscheint. Für das Horn hat einer den Geist, oder er hat ihn nicht, das ist alles! Dies kann man schon bei der ersten Stunde erkennen, und wenn einer diesen Geist nicht hat ist es sinnlos fortzufahren, da er nichts erreichen wird.

Und jetzt lassen Sie uns eine Übungsstunde nehmen!

2017 02 gruppeAnfangs steht die Gruppe. Am Beginn werden die Lippen auf das Mundstück aufgesetzt; durch das Zusammenschieben der Mundwinkel öffnet sich die Mitte des Mundes, in die die Zungenspitze gestoßen wird. Sobald er dann blasen kann, erfährt er, wie man die Noten liest und schließlich die Melodien erklingen lässt.

Nachdem man eine Zeitlang allein geübt hat und sicher ist, spielt der Anfänger dann als drittes Horn von drei Stimmen. Ein musikalisches Trio ist wie auf unserer Zeichnung gezeigt nicht nebeneinander angeordnet wie eine Skulptur. Vielmehr wird die hohe Stimme rechts platziert, die niedrige links und die Melodie ist immer in der Mitte ganz unabhängig von Größe oder Statur der Ausübenden. „Das Horn muss das Ohr nicht das Auge entzücken.“

Später, mit fortgeschrittenem Können, erfährt der Schüler wie man mit der Hand im Hornkessel Töne in ihrer Höhe verändern kann. Die hohe Kunst ist es schließlich mit dem Horn seufzen zu können: „Kommt, liebliche Dame“.

Lassen Sie uns hier jedoch unterscheiden: Es gibt eine Richtung, in der das Horn ein männliches Instrument ist, mit einem hämmernden und zerreißenden ton, mit wilder Sanftheit, scharf als Klang des Instruments selbst, ohne Verzierungen oder einem letzten Schliff; und tatsächlich widmet sich der wahre Trompe-Bläser nicht solchen Süßigkeiten. Trotzdem ist es für einige notwendig, dass sie alle Geschmäcker lieben!2017 02 einzel

Und alles spielen, üben, blasen, tyrannisieren und vervollkommnen passiert indem der Professor von einem zum anderen geht und versucht ihnen beizubringen, was getan werden sollte, während die erschöpften Lippen und Zungen nur durch Gläser voller Wein ihre Erholung finden.

 

 

2017 02 stuhlreiterAber jetzt ist es Zeit für die Lektion auf dem Pferderücken. Diesem geht eine Regel für alle voraus: Nehmen Sie die Hand vollständig aus dem Hornkessel. Dann sieht man den Professor auf einem Stuhl steigen, sich auf die Zehenspitzen erhebend, als ob er in die Steigbügel steigen wollte.

Das Hinterteil in der Luft, stimmt er ein „ le Bien Aller“ an, das Horn in der rechten Hand haltend, während seine linke den Stuhl abwechselnd hebt und auf dem Boden abstellt, um mit seinem Körper die Bewegung des Pferdes im Trab oder Galopp zu simulieren.2017 02 stuhlreiter2

Dann imitieren und folgen seine Schüler ihm und ein kompletter Ritt wird um den Tisch vollführt wie eine komplette Jagd, und es erklingt in einer symphonischen Orgie eine Fanfare von falschen Tönen. Die Lektion endet in einem schrecklichen Zusammenklang.

Wir wissen jetzt, wo sich die glühenden Jünger der Trompe, Schüler, Amateure und Professoren treffen. Es sollte gesagt werden, dass es hauptsächlich Hausangestellte sind, die ihre Abende so verbringen.

In der großen Welt der Herren bläst man weniger, wiewohl auch mit Leidenschaft. Und wir könnten manch hohen Beamten, Magistrat oder Herzog benennen, die dem Beispiel von König France Charles IX folgen und sich dem Horn viele Nächte lang widmen.

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Diese, nicht der Klasse der Bediensteten angehörend, üben in den Häusern der Professoren. Die Professoren sind wie zivile Fechtmeister. Ihre Diener betiteln sie verächtlich mit dem Beinamen „Pékins“. Ihr Horn-Zimmer ist in der Regel in einer alten verlassenen Reitakademie, in einem Hinterhof am Ende eines langen Korridors, mit gepolsterten Türen und dreifach verglasten Fensterrahmen.

 

Und nun Platz für die Trompe-Spieler! Für ein paar Tage gehören ihnen Luft, Licht und Ruhm. Sie kommen mit dem Karneval, ein Hoch auf sie!

 

Der Autor des Beitrags zur L'Illustration ist zweifellos Charles Hacks. Er war auch bekannt unter dem Pseudonym "Docteur Bataille", der Autor von Le Geste (1892), einer frühen Studie in der Sozialanthropologie und der Anti-Freimaurer Le Diable au XIX Siecle (1892-4).